„Mitein*anders“ für eine menschenfreundliche Kirche
Über 100 Teilnehmende vernetzen sich beim ersten Fachtag für queere Lebensweisen in Kirche und Caritas im Erzbistum Paderborn
Paderborn (pdp). Zum ersten Fachtag im Erzbistum Paderborn für queere Lebensweisen in Kirche und Caritas trafen sich am Mittwoch, 31. Mai 2023, über 100 hauptberuflich Mitarbeitende aus Pastoral, Einrichtungen, Diensten und Verbänden der Erzdiözese. Die Veranstaltung im Bildungs- und Tagungshaus Liborianum stand unter dem Titel „Mitein*anders“. In einer Videobotschaft grüßte Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck die Teilnehmenden und unterstrich die Relevanz des Fachtags: „Dieser Tag ist ein Zeichen der Wertschätzung für Ihr Engagement in diesem Themenfeld. Es geht bei queersensibler Pastoral um die queeren Menschen, die sich in unserer Kirche willkommen fühlen sollen.“
Im Zielbild 2030+ des Erzbistums Paderborn sei eine Kultur der Wertschätzung für queere Lebensweisen ausdrücklich verankert, betonte der Diözesanadministrator. Daher gelte es, „gemeinsam Wege zu finden, um unsere Seelsorge in Richtung einer queersensiblen Pastoral zu entwickeln“. Der aktuelle Leiter des Erzbistums Paderborn zählt dabei auf ein breites Netzwerk von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. „Ich verstehe den heutigen Fachtag als einen Beitrag zur Sichtbarkeit von queeren Menschen und ihren Erfahrungen“, erklärte Msgr. Dr. Michael Bredeck.
Verantwortlich für die Tagung zeichneten der Diözesane Arbeitskreis „Queersensible Pastoral“, das Liborianum, die Abteilungen bilden+tagen sowie die Personalentwicklung Pastorales Personal im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn, die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung im Erzbistum Paderborn (kefb) und der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum. Diözesan-Caritasdirektor Ralf Nolte betonte in seinem Grußwort, es gehöre zu den Aufgaben von Kirche und Caritas, Menschen in ihren Freuden und Nöten zu begleiten. „‘Unser Kreuz hat keine Haken‘ heißt eine Aktion der Caritas, die wir erweitert haben: ‚Unser Kreuz hat auch alle Farben‘“, unterstrich der Caritas-Direktor. Mit der neuen Grundordnung für den kirchlichen Dienst werde Vielfalt endlich als Bereicherung für die Kirche wirksam.
Von Gott gewollt
Moderator Jens Ehebrecht-Zumsande aus Hamburg freute sich, dass die Teilnehmenden aus einem breiten „Querschnitt von Kirche“ nach Paderborn gekommen waren und das Thema „queersensible Pastoral“ in Vortrag und Workshops bearbeitet werden konnte. „Wir möchten bei queeren Menschen nicht in Frage stellen, dass sie von Gott gewollt sind, sondern dahinter ein deutliches Ausrufezeichen setzen“, machte der Moderator gleich zu Beginn deutlich – spontaner Applaus des Plenums war ihm dafür sicher. Beraterin Juliana Osterholz begleitete als Awareness-Person die Veranstaltung und stand den Teilnehmenden bei Gesprächsbedarf zur Verfügung, denn queer zu sein sei oft auch mit einer Leidensgeschichte verbunden.
Segensfeiern für Paare, die sich lieben
Dr. theol. habil. Holger Dörnemann, Privatdozent für Religionspädagogik an der Universität München und Gastprofessor an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, ist an der Erarbeitung einer pastoral-liturgischen Handreichung für Segensfeiern für Paare, die sich lieben, beteiligt. Er war Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland und des Synodalforums „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“. In seinem Impulsvortrag stellte er theologische Hintergründe für die Würdigung und Feier der verschiedenen Partnerschaftsformen vor.
Während noch der Katechismus von 1992 Homosexualität als nicht zu billigende Lebensform bezeichne, betone Papst Franziskus im Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia, dass Homosexualität nicht „wider die Natur“ sei, erläuterte Dr. Dörnemann. Es gelte, homosexuellen und queeren Menschen mit Respekt zu begegnen. Dörnemann betonte den in Amoris Laetitia herausgearbeiteten Freundschaftsgedanken für alle Paare, die unter dem Segen Gottes stehen. Dem Angebot von Segensfeiern liege die Überzeugung zugrunde, dass im gemeinsamen Zusammenleben bereits etwas sittlich Gutes da sei. „Eine Segensfeier konstituiert kein sakramentales Band. Es wird mit Respekt etwas gesegnet, was es bereits gibt“, erklärte Dr. Dörnemann.
In Workshops vertieft einsteigen
In sieben Workshops konnten die Teilnehmenden vertieft in Themenaspekte einsteigen. Mit Hannah Schlubeck bereicherte eine international bekannte Pan-Flötistin den Fachtag – sowohl musikalisch gemeinsam mit Pianist Markus Maurer als auch inhaltlich: Als Workshop-Leiterin berichtete sie über ihre Erfahrungen als Transgender-Musikerin. Wie es nach einem Jahr #outinchurch weitergeht, fragte ein Workshop mit Pfarrer Bernd Mönkebüscher und Melina Sieker. Zwei Angebote mit Indra Wanke und Jana Hansjürgen sowie mit Studierendenpfarrer Lars Hofnagel setzten sich mit einer queersensiblen Sprache auseinander, auch in der Liturgie. Zwei zielgruppenorientierte Workshops mit Julia Seidel beziehungsweise mit Viola Hellmuth rückten Angebote für queere Familien und für queere Jugendliche ins Zentrum. Dr. Floriane Sobetzko thematisierte in ihrem Workshop „Diversität als Bedingung und Chance einer Kirche von morgen“.
Positive Resonanz
„Ich nehme mit, dass es wichtig ist, queeren Menschen sensibel und authentisch zu begegnen, ohne dass es aufgesetzt und überzogen wirkt“, sagte Silke Klute, Leiterin der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Soest in der Schlussrunde im Plenum. Sie habe erlebt, dass es Menschen gebe, die nicht auf ihr Trans-Sein reduziert werden möchten. „Auch in unserer Beratungsarbeit mache ich die Erfahrung, dass zunächst der Mensch zählt und es bisweilen gar nicht wichtig ist, das Trans-Sein zu thematisieren.“
Ein großes Lob zollte Awareness-Begleiterin Juliana Osterholz dem Organisationsteam. Die Beraterin hatte viele Gespräche am Rande der Veranstaltung geführt und dabei „viele gute Begegnungen“ erlebt. Dass eine Awareness-Person für Menschen, die durch die besondere Thematik mit vorhandenen Verletzungen Redebedarf haben, so strukturell in der Vorbereitung mitgedacht worden sei, sei nicht selbstverständlich, so Osterholz. Die Fachtagung habe Mitstreitende beim Thema queersensible Pastoral zusammengebracht und ermutige dazu, „dran zu bleiben“. Juliana Osterholz zog ein wichtiges Fazit der Veranstaltung: „Der kirchliche Kontext profitiert davon, wenn er menschenfreundlicher wird.“
Ausblick
Als einen der nächsten Schritte des Diözesanen Arbeitskreises „Queersensible Pastoral“ kündigte dessen Sprecherin Indra Wanke Gespräche mit der Bistumsleitung an. Die Entwicklung einer queersensiblen Pastoral im Erzbistum Paderborn geht also weiter. „Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, zu diesem Thema eine solche Veranstaltung mit so großer Resonanz auf die Beine zu stellen“, fasste Dorothee Holzapfel vom Arbeitskreis und vom Vorbereitungsteam zusammen.