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19.12.2022

Sind wir noch im Bilde, wenn wir von Weihnachten sprechen?

In einer Kunstausstellung, die ich einmal besuchte, stieß man als Besucher gleich am Eingang auf ein eigenartiges Werk. Auf dem Parkettboden lagen zwei große Rahmen aus rostfreiem Stahl, der eine kreisrund, der andere quadratisch, sonst nichts. „Ist das alles?“ – fragten sich viele Besucher und schüttelten den Kopf: „Was hat das für einen Sinn?“

Zwei leere Rahmen, in der Mitte ein gähnendes Loch. Wie geht das uns an Weihnachten? Der Rahmen ist wunderbar, wer möchte ihn missen? Und es ist ja wahr: Das Fest muss doch einen Rahmen haben. Aber die Sache selbst, das Bild? Sind wir noch im Bilde, was Weihnachten betrifft?

Man kann ehrlicherweise nicht von Weihnachten reden, ohne von Gott zu sprechen. Er ist das Bild in diesem Rahmen. Können wir das noch von Gott sprechen? Heute ist viel von Kirchenkrise die Rede. Die spüren wir ganz deutlich auf Schritt und Tritt, nicht nur an den Austritten. Der Missbrauch steht über allem und lähmt uns in unserer seelsorglichen Arbeit. Die Kirchen stehen da wie entlaubte Bäume in der Winterlandschaft. Es weht ein kalter Wind von vorn. Der kann ja durchaus heilsam sein, muss uns nicht umwerfen. Wenn’s nur darum ginge? Die Krise, in die das Christentum in unseren Breiten geraten ist, sitzt tiefer: Sie ist nicht nur eine Kirchenkrise, sondern eine Gotteskrise. Kann Gott in die Krise geraten? Er nicht, aber wir mit ihm und er mit uns.

Woran Gott stirbt – heißt eine Ansprache des Schriftstellers Martin Walser. Er fragt: „Ob ein Kind, das in einer Familie ohne Glaubensvermittlung aufwächst, im Erwachsenenalter Gott vermisst? Ob ihm etwas im Leben fehlt?“ – Ich glaube nix, mir fehlt nix. So denken und reden viele Menschen heute. Gott ist einfach bei vielen Menschen kein Thema mehr. Ist Gott nicht auch im Bewusstsein und in der Praxis der Kirchen an den Rand geraten? „Gott wird gewartet“, sagt Martin Walser, „perfekt gewartet wie eine Maschine. Wo wird Gott heute noch leidenschaftlich gesucht?

Wir reden uns ständig die Köpfe heiß, aber das Herz bleibt kalt. Wir leugnen Gott nicht, aber wir rechnen auch nicht ernsthaft mit ihm.

Das Sprechen von  Gott stammt allemal aus dem Sprechen mit Gott, aus dem Gebet. Das ist das Erste. „Kommt lasset uns anbeten… Lasst uns vor ihm niederfallen.“ Da geht man in die Knie. Das ist unsere Antwort auf Weihnachten. Vor dem Kind in der Krippe in die Knie gehen und ihn als Gott anbeten.

Sind wir noch im Bilde, wenn wir von Weihnachten sprechen? Das Weihnachtsevangelium ist eine Liebeserklärung Gottes an uns Menschen. So muss das Kind in der Krippe in dem Bilderrahmen verankert werden. Weihnachten feiern heißt: Christus ist Mensch geworden. Gott schenkt uns seinen Sohn. Wenn wir dieses Geheimnis mit unserem Herzen begreifen, sind wir im wahrsten Sinne des Wortes im Bilde.

Ich danke allen hauptamtlichen Seelsorgern und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistete Arbeit in den Gemeinden und im Dekanat und wünsche allen  ein friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest und für das Neue Jahr 2023 alles Gute und Gottes Segen.

Euer und Ihr Dechant Richard Steilmann