Weckruf für die Demokratie
Weckruf für die Demokratie: Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn diskutierte mit dem Correctiv-Journalisten Marcus Bensmann
Paderborn, 25.05.2024. Mit einem eindringlichen Appell des nordrhein-westfälischen Landtagspräsidenten André Kuper, sich für die Demokratie zu engagieren, endete der diesjährige Pfingstempfang des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn. Dazu lädt die Vertretung der Engagierten in katholischen Gemeinden und Verbänden alljährlich am Freitag nach Pfingsten ein, um ein aktuelles Thema zu diskutieren. In diesem Jahr fand der Empfang im Paderborner Rathaus statt, das Thema lautete: „Entgrenzung des Sagbaren – Ein Weckruf für die Demokratie.“
Die Eindringlichkeit und die Einigkeit der vorangegangenen Diskussion unterstrich Landtagspräsident Kuper kurz vor Schluss der Veranstaltung: „Demokratie ist nicht nur die Sache der Politiker“, sagte er, „sie geht uns alle an.“ Streit gehöre dazu, aber für die Demokratie an sich müsse man sich gemeinsam engagieren. Zuvor hatte der Journalist Marcus Bensmann vom gemeinwohlorientierten Medienhaus Correctiv über seine Recherchen zum Potsdam-Treffen berichtet, bei dem rechtsextreme Kreise über Möglichkeiten einer sogenannten „Remigration“ diskutiert hatten. Die Berichterstattung darüber hatte Anfang des Jahres bundesweite Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ausgelöst. An dem Treffen hatte auch ein enger Mitarbeiter der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel teilgenommen.
Bensmann betonte, man müsse potenziellen AfD-Wählern deutlich machen, welche Konsequenzen es habe, wenn diese Partei an die Regierung komme. Und das könne man am besten mit deren eigenen Worten. In diesem Sinne beschrieb er einige Zitate, die in ihrem rechtsextremen Weltbild eindeutiger kaum sein können. „Es ist besser, diese Leute vorher zu lesen, als später von ihnen regiert zu werden“, so Bensmann. Die Recherche zum Potsdam-Treffen hatte auch gesellschaftliche Kräfte zu klaren Stellungnahmen bewogen, die sich bislang eher politisch neutral verhalten hatten. Die Geschäftsführerin des regionalen Arbeitgeberverbandes, Melanie Cramer, stellte die Initiative „Wir stehen für Werte“ vor, zu der sich etliche deutsche Unternehmen und Verbände, darunter auch der DGB, zusammengeschlossen haben. „Wir müssen in der Demokratie streiten“, so Cramer, „aber nicht über die Demokratie.“ Die Initiative werde auch in die Betriebe getragen, wo es bislang eine positive Resonanz gebe. Die Gefahr sei vielen Mitarbeitenden klar: „Erst fallen die Werte, dann die Regeln“.
Auch die deutschen Bischöfe haben sich in bis dahin nicht gekannter Eindeutigkeit von der AfD abgegrenzt. Paderborns neuer Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz erinnerte an die Präambel des Grundgesetzes, in der von der Verantwortung „vor Gott“ die Rede sei. Wie auch immer man den Begriff „Gott“ fülle, sei klar, dass es um eine höhere Instanz gehe, vor dem man sich verantworten müsse. Auf Bensmanns Hinweis, manche AfD-Politiker wie etwa Maximilian Krah beriefen sich gern auf das christliche Menschenbild, betonte Bentz: „Die Deutungshoheit über das christliche Menschenbild haben ja wohl eindeutig wir als Religionen und nicht die AfD.“ Dieses Menschenbild sei gekennzeichnet von der Würde, die jeder Mensch als Kind Gottes habe. Für die im kommenden Jahr anstehenden Pfarrgemeinderats- und Kirchenvorstandswahlen in den katholischen Gemeinden NRWs riet Bentz zu besonderer Aufmerksamkeit bei der Kandidatinnen- und Kandidatensuche: „Da müssen wir auch sagen, was nicht geht.“
Jan Hilkenbach, einer von zwei Vorsitzenden des gastgebenden Diözesankomitees sagte, Demonstrieren sei sehr wichtig, aber reiche allein natürlich nicht: „Wir müssen uns in Kirche und Gesellschaft noch stärker den Diskussionen mit Menschen stellen, die wir für unsere Demokratie gewinnen oder zurückgewinnen wollen. Es heißt jetzt: engagieren, debattieren, handeln.“ Es gehe beispielsweise in den katholischen Verbänden darum, die eigenen Satzungen zu überprüfen, um menschenfeindliches Gedankengut herauszuhalten und diesem keine Chance zu geben. „Es geht dabei natürlich auch, aber nicht nur um die AfD“, betonte Hilkenbach.
Die hat die Paderborner jüdische Kultusgemeinde aus der Synagoge ferngehalten. Davon berichtete deren Vorsitzende Xenia Nickel. Die AfD habe einen Besuch angefragt, das Ansinnen wurde abgelehnt. Auf die Nachfrage, ob das nicht ungerecht sei, die anderen Parteien habe man doch auch empfangen, sei ihre Antwort schlicht: „Nein, ist es ist nicht!“ gewesen, erzählte Nickel. Nadine Mersch, Vorsitzende des Diözesankomitees, verabschiedete die Podiumsgäste mit dem Dank für den gemeinsamen Einsatz für eine Gesellschaft, in der alle in Frieden und Sicherheit leben können. „Es ist gut, dass wir gemeinsam mit allen Demokratinnen und Demokraten für die Menschenwürde eintreten.“
Zum Ende des Empfangs dankte Paderborns Bürgermeister Michael Dreier dem Diözesankomitee und allen Anwesenden für ihr Engagement für die Demokratie. Im großen Sitzungssaal des Rathauses tagt auch der Paderborner Stadtrat, in dem die AfD vertreten ist. „Heute geht von diesem Saal eine Botschaft aus, die mich wirklich glücklich macht!“, so Dreier.